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Branche 7. September 2023

Geschäftsklima der Zulieferindustrie trübt sich weiter ein

Positive Signale aus der Politik dringend erforderlich.

Nur noch jedes fünfte Unternehmen bewertet die aktuelle Geschäftslage als „gut“. Noch schlechter sieht es bei den Erwartungen aus, so die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie, deren Sprecher Christian Vietmeyer ist.
Nur noch jedes fünfte Unternehmen bewertet die aktuelle Geschäftslage als „gut“. Noch schlechter sieht es bei den Erwartungen aus, so die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie, deren Sprecher Christian Vietmeyer ist.

Das Stimmungsbild des Rückgrads der deutschen Wirtschaft trübt sich weiter ein. Im August fällt das ifo-Geschäftsklima der deutschen Zulieferindustrie zum sechsten Mal in Folge. Inzwischen deutlich im roten Bereich angelangt, liegt das Geschäftsklima durch den jüngsten Rückgang um 5,8 Saldenpunkte nur noch bei Minus 21,9 Punkten. 

Aktuelle Geschäftslage und Erwartungen negativ bewertet

Brisant dabei: Sowohl den Erwartungen für die kommenden sechs Monate als auch den Beurteilungen der aktuellen Geschäftslage liegt eine negative Dynamik zugrunde. Notieren erstere gleichwohl bereits seit längerem im negativen Saldenbereich, kehrt die Bewertung der aktuellen Geschäftslage erstmals seit November 2020 unter die Neutralitätsschwelle. So liegt die Lageeinschätzung im Saldo bei Minus 7,5 Punkten. Nur noch jedes fünfte Unternehmen bewertet die Geschäftslage dabei als „gut“. Zulieferer, die in den kommenden sechs Monaten Besserung Erwarten, sind demgegenüber sogar noch exotischere Exemplare. So sind lediglich 7 % der Befragten vorsichtig optimistisch. Knapp die Hälfte hingegen sieht in den kommenden Monaten zunehmende konjunkturelle Schwierigkeiten auf die Industrie zukommen.

Wirtschaftsstandort Deutschland in einer strukturellen Krise 

Waren die vergangenen Jahre durch Schocks im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, den Lieferkettenproblemen und dem Krieg in der Ukraine sowie etwaigen Nachholeffekten geprägt, zeichnet sich mehr und mehr die eklatante Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch eine strukturelle Krise ab. Wo kurzfristige Schocks durch agiles Unternehmertum und staatliche Stützen lange Zeit noch abgefangen werden konnten, geht es nunmehr bedrohlich an die Substanz. Der industrielle Mittelstand hat im Gegensatz zu seinen Kunden oftmals nicht die Möglichkeit, den schlechten regulatorischen Wettbewerbsbedingungen auszuweichen. Reißt der Gesetzgeber das Ruder nicht umgehend um, folgt auf einen verregneten Sommer ein bitterkalter und sehr langer Winter. Die Liste der Handlungsfelder ist lang.

Industriestrompreis auch für den Mittelstand gefordert

So setzen die mittelständischen Zulieferbetriebe als Energieträger vor allem Strom und Gas ein. Die Herstellung bzw. Verarbeitung beispielsweise von Aluminium und Stahl, von Gießerei-Produkten sowie von Kunststoffen und Textilien verbraucht teils erhebliche Energiemengen. Die Preise dafür am Standort liegen weit über denen anderer Industrienationen wie Frankreich oder den USA. Die Wettbewerbsfähigkeit gehe jeden Tag weiter verloren, klagt die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (Argez). 

Sie verweist beispielhaft auf die Automobilzulieferer, die in einem harten internationalen Wettbewerb stehen. Die Hersteller vergeben Zulieferteile bevorzugt an Betriebe in Regionen mit deutlich niedrigeren Energiekosten. Zulieferer, die ihre Produktion nicht ins Ausland verlagern können, brauchen daher schnell eine substanzielle Absenkung der Energiepreise. „Ein zeitlich begrenzter Industriestrompreis ab dem 1.1.2024, der auch den industriellen Mittelstand ohne Hürden erreicht, ist dringend erforderlich,“ so Argez-Sprecher Christian Vietmeyer. 

Forderung nach Bürokratieabbau richtet sich auch an Autohersteller

Auch der Bürokratieabbau müsse viel schneller vorankommen. Dieser Appell richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die Automobilhersteller und großen Tier 1-Unternehmen. Unter dem Label Nachhaltigkeit würden kleinere Zulieferer mit immer neuen Erklärungs- und Dokumentationspflichten überschwemmt. Im Rahmen des Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetzes und der sozialen Nachhaltigkeit bekämen mittelständische Zulieferer umfangreiche Fragebögen mit teils denselben „absurden Fragen“ zugestellt. Dieses sei vom Gesetzgeber in einer solchen belastenden Form gar nicht gewollt und lasse jedes Augenmaß vermissen. “Die mittelständischen Zulieferer leiden schon genug unter staatlicher Bürokratie. Da müssen die Automobilhersteller mit ihren überbordenden Fragenbögen nicht noch ständig draufsatteln,” kritisiert Vietmeyer.

Fachkräftemangel verhindert Erweiterungsinvestitionen

Der industrielle Mittelstand ächzt unter dem Arbeits- und Fachkräftemangel. Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften ist nach einer Verbandsumfrage des WSM für Betriebe der Stahl- und Metallverarbeitung der wichtigste Parameter bei der Entscheidung über Erweiterungsinvestitionen. Die qualifizierte Zuwanderung und die Vereinfachung der Aufnahme der bereits im Land befindlichen arbeitenden Migranten mit unsicherem Aufenthaltsstatus müssen forciert werden.

Der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie wird von verschiedenen Wirtschaftsverbänden und deren Mitgliedsunternehmen getragen, unter anderem von der Wirtschaftsvereinigung Metalle, Berlin; Aluminium Deutschland, Düsseldorf, und dem Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie, Düsseldorf.

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