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Branche 4. August 2023

Russisches Aluminium bedrängt die LME

Die London Metal Exchange (LME), größte Metallbörse der Welt, gerät wegen der Einlagerung von russischem Aluminium unter Druck. 

Die LME lässt bisher die Einlagerung von russischem Aluminium in ihre Lagerhäuser ungehindert zu.
Die LME lässt bisher die Einlagerung von russischem Aluminium in ihre Lagerhäuser ungehindert zu.

Es geht russisches Metall, das vornehmlich aus den Werken des größten russischen Produzenten, Rusal, stammt. Für - oder gegen - russisches Aluminium gibt es bislang keine Sanktionen. Als einziges großes Land haben bisher lediglich die Vereinigten Staaten besondere Zollbelastungen für russische Ware eingeführt. Aber ein Handelsverbot gibt es auch dort nicht. Trotzdem scheuen sich zahlreiche industriellen Aluminium-Verbraucher, das russische Material zu kaufen, weil sie fürchten, dass es vielleicht doch noch zu Sanktionen als Folge des Ukraine-Kriegs geben könnte. Im Metallhandel wird in diesem Zusammenhang kurzerhand von einer Art von “Selbst-Sanktionierung” gesprochen.

Anteil von russischem Aluminium steigt

Die Folge der darauf zurückzuführenden Absatzprobleme für das russische Aluminium ist, dass mehr und mehr Metall den Weg in die Lagerhäuser der LME findet. Rusal hat zwar nur einen Produktionsanteil von 5,4 % in der Welt, ist damit aber doch einer der größten Produzenten. Von den reichlich einer halben Million Tonnen Aluminium, die Ende Mai dieses Jahres bei der LME eingelagert waren, entfielen immerhin 68 % auf russische Ware. Diese Quote ist seit Jahresbeginn von Monat zu Monat gestiegen. Im Januar waren es 41 %, im März 53 P%und dann Ende Mai die genannten 68 %. Weite Teile des Metallhandels gehen davon aus, dass dieser Anteil in den kommenden Monaten weiter in die Höhe gehen wird. Wenn die LME-Lager aber hauptsächlich russisches Aluminium enthalten, dann ist abzusehen, dass das Folgen für die Preisbewegungen an der Börse haben wird und haben muss. Da die LME-Preisnotierungen aber fast weltweit als Richtschnur für die Marktentwicklung gewertet werden und in zahllose Verträge eingehen, ist unverkennbar, dass die LME wegen des russischen Aluminiums unverkennbar unter Druck gerät. Dieser Meinung sind nicht nur Metallhändler und -verbraucher sondern gerade auch große Aluminium-Produzenten. Das hat bisher dazu geführt, dass Kelly Thomas, der Executive Vice President und Chief Commercial Officer des größten amerikanischen Produzenten, Alcoa, die Forderung erhoben hat, die LME sollte den Handel mit russischem Aluminium kurzerhand gänzlich einstellen um den Ruf der Börse und ihrer Preisnotierungen nicht arg zu gefährden.

Schwere Entscheidung für die LME

Mit dem Vorstoß von Alcoa liegt der sprichwörtliche Ball nun in den Händen des LME Managements. Die Metallbörse tut sich aber schwer mit einer Entscheidung in dieser Sache. Der Grund dafür ist einfach: Die Nickel-Preisexplosion vom zeitigen Frühjahr 2022 veranlasste damals die Börsenführung den Nickel-Handel kurzerhand für einen kurzen Zeitraum gänzlich auszusetzen und die Kontrakte aus den Stunden der Preiskatastophe kurzerhand für null und nichtig zu erklären. Das aber hat der Börse umfangreiche Schadensersatzprozesse der direkt Betroffenen eingebracht, die Anwälte und Gerichte in London noch auf längere Zeit hinaus eingehend beschäftigen werden. Die Gefahr ist nun, die LME-Führung mit einer wie auch immer gearteten Entscheidung in Sachen Russischen Aluminiums eine neue Prozesslawine lostritt, die ihr genauso schaden könnte, wie es das russische Material bereits zu tun beginnt.

Glencore mit Abnahmeverpflichtungen für Rusal-Aluminium 

Von den Einlagerungen russischen Aluminiums in die LME-Läger sind verschiedene Teile der Welt unterschiedlich betroffen. Die Börse hatte im Februar dieses Jahres auf den amerikanischen Sonderzoll für russische Ware dergestalt reagiert, dass die LME-Lagerhäuser in den Vereinigten Staaten kein russisches Aluminium mehr aufnehmen. Die allermeisten Einlagerungen entfallen inzwischen auf europäische und ostasiatische LME-Läger. Und hier sind es nicht einmal immer nur die Russen, die das Aluminium deponieren. Eine ganze Menge russischen Materials kommt auch von dem Schweizerischen Rohstoffgiganten Glencore, der für einen Zeitraum bis in die zweite Hälfte kommenden Jahres Abnahmeverpflichtungen für Rusal-Aluminium eingegangen ist.

Verunsicherte Marktteilnehmer

Je mehr russische Ware sich aber in den LME-Lägern anhäuft, desto schwieriger wird es für die Börse genügend anderes, sprich nicht-russisches Aluminium für einen geordneten Handel zur Verfügung zu stellen. Das könnte dazu führen, dass andere Metallbörsen, etwa die amerikanische CME-Gruppe oder die chinesische Shanghai Futures Exchange, die Gelegenheit nutzen und einen Aluminium-Handel aufbauen, der dann der LME die Preisführerschaft im internationalen Handel abnehmen könnte. All das beschäftigt natürlich nicht nur das Management der Londoner Metallbörse sondern auch zahlreiche Metallhändler, Metallverbraucher und Aluminium-Produzenten - nicht nur die Alcoa. Die Folge der damit verbundenen Unsicherheit am Markt ist derzeit, dass großenteils für die kommenden Monate mit einer Vielzahl rascher Preisbewegungen - nach oben wie nach unten - gerechnet wird. Und das ist zwangsläufig für die LME ebenfalls keine erfreuliche Aussicht.

Autorin: Dr. Katharina Otzen-Odrich, alu-web.de London Office

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