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News 2. April 2024

Im Klimaschutz verheddert

Berliner Bericht April 2024 – Die Bundesregierung muss mehr tun, um den Ausstoß von Treibhausgasen durch Verkehr und Gebäude zu reduzieren.

In der Kolumne Bericht aus Berlin informiert Autor Wieland Kramer aktuell über die Bundespolitik.
In der Kolumne Bericht aus Berlin informiert Autor Wieland Kramer aktuell über die Bundespolitik.

Von Wieland Kramer

Das Umweltbundesamt (UBA) ist verpflichtet, bis Mitte März aktuelle Daten zur Entwicklung der CO2-Emissionen vorzulegen. Nach vorläufigen Berechnungen ist der CO2-Ausstoß im vergangenen Jahr um gut zehn Prozent gesunken. Grund sind der insgesamt geringere Energieverbrauch in Deutschland wegen der milden Witterung und der schlechten Konjunktur sowie das gute Ergebnis der Erneuerbaren Energien, insbesondere der Windstromerzeugung.

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Doch in Berlin ist das Interesse an dieser Erfolgsmeldung merkwürdig gering. Denn die Sektorziele für den Verkehr und für die Gebäude wurden erneut nicht erreicht. Kohlendioxid wird vor allem in der Industrie und der Stromerzeugung eingespart. Verfehlen einzelne Sektoren die Einsparziele, schreibt das geltende Klimaschutzgesetz die Vorlage wirksamer Klimaschutzprogramm für die betroffenen Bereiche vor.

Diese unangenehme Pflicht möchte die Bundesregierung gern loswerden und hat deshalb im vergangenen Herbst eine Novelle des Klimaschutzgesetzes angekündigt, die de facto eine Abschaffung der Sektorziele vorsieht. Emissionsminderungen in einzelnen Sektoren sollen künftig mit Zielverfehlungen in anderen Emissionsbereichen verrechnet werden. Mit anderen Worten: Industrie und Stromerzeugung werden wie in den zurückliegenden Jahren die Hauptlast beim Klimaschutz tragen.

Abschaffung der Sektorziele ist unsicher

Doch die Gesetznovelle steckt in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages fest. Ausgerechnet Teile der SPD und die Grünen sind gegen die Abschaffung der Sektorziele und die Sanktionierung von Zielverfehlungen. Doch damit nicht genug. Naturschutzverbände hatten vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Erfolg auf die Vorlage und Umsetzung der Sofortprogramme geklagt. Vor dem Gericht hatte die Bundesregierung ziemlich blass dagestanden und auf ihr Klimaschutzprogramm verwiesen. Dieses ersetze jedoch keineswegs die vorgeschriebenen Sofortprogramme hatten die Richter kühl reagiert. Da die Abschaffung der Sektorziele im Rahmen der Gesetznovelle unsicher ist, hat sich die Bundesregierung jetzt entschlossen, sich ihrer Pflicht zur Aufstellung und Umsetzung von Sofortprogrammen auf dem Gerichtswege zu entledigen. Gegen das Urteil von Berlin-Brandburg wird Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht eingelegt.

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Der ebenso saloppe wir spitzfindige Umgang mit der Klimaverantwortung durch die Bundesregierung sorgt mittlerweile nicht nur bei Umweltverbänden für Empörung. Doch das zuständige Bundesministerium für Energie und Klimaschutz wehrt ab: Es gehe um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die höchstrichterlich geklärt werden sollten. Der klimapolitisch notwendige und gesellschaftlich verantwortbare Handlungsrahmen für den Klimaschutz müsse klar und rechtssicher abgesteckt werden, teilte ein Sprecher des Hauses mit.

Verkehrssektor mit desaströser Energiebilanz

Wie schlimm oder auch gut es in den einzelnen Sektoren aussieht, zeigen neue Zahlen zum effizienten Umgang mit Energie in den einzelnen Sektoren. Geradezu skandalös präsentiert sich dabei der Verkehrsbereich. Hier werden derzeit von der eingesetzten Energie rund 68 % vergeudet und nur knapp 32 % in echte Nutzenergie umgesetzt. Da überwiegend kohlenstoffhaltige fossile Brennstoffe zum Einsatz kommen, ist die Energie- und CO2-Bilanz dieses Sektors desaströs. Die privaten Haushalte setzen zwar rund 80 % der Endenergie in Wärme, Licht und andere Nutzenergieformen um, aber vor allem die Heizungen verwenden überwiegend fossile Brennstoffe und sorgen für Klimabelastungen. Bei Gewerbe, Handel und Dienstleistungen geht immerhin noch gut ein Drittel Energie nutzlos verloren. Am effizientesten wird Energie hierzulande von der Industrie eingesetzt. Knapp über 80 % der auf diesen Sektor entfallenden Endenergie wird sinnvoll gebraucht, nur knapp 20 % gehen verloren.

Da aber nicht über Erfolge im Klimaschutz, sondern über die Verantwortlichkeit bei Zielverfehlungen diskutiert und jetzt auch vor Gericht gestritten wird, dürften weitere Vertrauensverluste für die Ampel-Koalition anstehen. Munition liefert ein weiteres Thema, das für viele nach jahrelangem Streit längst ad acta gelegt worden war. Der Bundesminister für Energie und Klima hat kürzlich Eckpunkte sowie einen Gesetzentwurf für eine „Carbon Management-Strategie“ vorgelegt. Völlig entgegen früherer Politikentscheidungen soll nun die Abscheidung von Kohlendioxid, der Transport und die Offshore-Speicherung (CCS und CCU) in Deutschland ermöglicht werden. Ohne CCS und CCU seien die Klimaziele unmöglich zu erreichen, heißt es jetzt relativ überraschend. Die CCS-Technologie sei wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Das gelte vor allem für schwer vermeidbare Emissionen bei der Herstellung von Kalk und Zement sowie der Metallerzeugung. Rückenwind für den Meinungswandel in Deutschland liefert der Weltklimarat IPCC. CCS und CCU seien in emissionsintensiven Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen eine notwendige Klimaschutztechnologie. In Europa betreiben oder planen Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Island, Italien, Frankreich, Kroatien, Polen, Rumänien und das Vereinigte Königreich daher bereits geologische Speicher für das klimaschädliche CO2. Die Erkundung von Offshore-Speicherstätten in der deutschen Nordsee soll jetzt schnell gesetzlich ermöglicht werden. Dagegen wird die dauerhafte Speicherung von COauf dem Festland (onshore) weiterhin nicht ermöglicht. Zu groß ist wohl die Sorge vor Protest. Allerdings bietet der kleine Teil der deutschen Nordsee kaum geologische Voraussetzungen für die Speicherung von CO2. Also alles ein Luftnummer?

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