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Branche

Großanlagenbau rechnet mit Trendwende

Die von den Mitgliedern der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) 2017 in Deutschland verbuchten Auftragseingänge lagen mit 17,8 Mrd. Euro um sechs Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Dieser Rückgang war nahezu ausschließlich auf die stark reduzierte Nachfrage im Markt für thermische Kraftwerke zurückzuführen. In anderen Teilbranchen wie etwa dem Chemieanlagenbau und dem Hütten- und Walzwerksbau waren 2017 hingegen deutlich höhere Bestellungen als im Vorjahr zu verzeichnen. „Offenbar tragen die intensiven Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder in der Digitalisierung, dem Service und dem Anlagenbetrieb erste Früchte“, kommentierte Jürgen Nowicki, AGA-Sprecher und Sprecher der Geschäftsleitung von Linde Engineering, diese Entwicklung.
Jürgen Nowicki: "Die intensiven Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder in der Digitalisierung, dem Service und dem Anlagenbetrieb tragen erste Früchte."
Jürgen Nowicki: "Die intensiven Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder in der Digitalisierung, dem Service und dem Anlagenbetrieb tragen erste Früchte."

Die von den Mitgliedern der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) 2017 in Deutschland verbuchten Auftragseingänge lagen mit 17,8 Mrd. Euro um sechs Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Dieser Rückgang war nahezu ausschließlich auf die stark reduzierte Nachfrage im Markt für thermische Kraftwerke zurückzuführen. In anderen Teilbranchen wie etwa dem Chemieanlagenbau und dem Hütten- und Walzwerksbau waren 2017 hingegen deutlich höhere Bestellungen als im Vorjahr zu verzeichnen. „Offenbar tragen die intensiven Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder in der Digitalisierung, dem Service und dem Anlagenbetrieb erste Früchte“, kommentierte Jürgen Nowicki, AGA-Sprecher und Sprecher der Geschäftsleitung von Linde Engineering, diese Entwicklung.

Die inländischen Bestellungen sind im Berichtsjahr um drei Prozent auf 3,8 Mrd. Euro gestiegen. Diese Stabilisierung lag in erster Linie an steigenden Aufträgen im metallurgischen Anlagenbau und in der Elektrotechnik sowie dem wichtiger werdenden Geschäft mit Modernisierungen, Services und Ersatzteilen. Rückläufige Orders gab es hingegen zum wiederholten Male im Kraftwerksbau.

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Die Exportnachfrage fiel um acht Prozent auf 14,0 Mrd. Euro. Beträchtlich waren die Rückgänge in Afrika und im Mittleren Osten. Hingegen konnte der Großanlagenbau im asiatisch-pazifischen Raum einen Zuwachs um 60 Prozent verbuchen. Diesen Aufschwung verdankte die Branche vor allem der starken Nachfrage aus China sowie vereinzelten Großaufträgen aus Südostasien. Darüber hinaus meldeten die Mitglieder der AGAB hohe Bestellungen aus den USA, Russland, Großbritannien und Indien.

EPC-Fähigkeit spielt entscheidende Rolle

Der Großanlagenbau agiert in einem volatilen, und komplexen Marktumfeld, das durch hohen Preis- und Wettbewerbsdruck gekennzeichnet ist. Die Unternehmen müssen daher Anpassungsfähigkeit beweisen und innovativ auf veränderte Kundenbedürfnisse reagieren. Hierbei spielt die Übernahme der Gesamtverantwortung für Projekte – die sogenannte EPC-Fähigkeit – eine entscheidende Rolle. Eine aktuelle Studie des Bundeswirtschaftsministeriums belegt, dass 79 Prozent der deutschen Unternehmen mit Projektgeschäft weiterhin an EPC-Aufträgen interessiert sind. In diesen Markt drängen technologieungebundene Generalunternehmer aus Asien. Der Wettbewerbsdruck hat in Folge dieser Entwicklung seit 2015 signifikant zugenommen.

Der VDMA-Großanlagenbau befürwortet daher ausdrücklich die jüngsten Schritte des Bundes zur Flexibilisierung der Instrumente der Exportfinanzierung und Exportkreditversicherung. „Die fortschreitende Digitalisierung der Finanzbranche sollte nun innovativen und praxisnahen Fortentwicklungen des Hermesinstrumentariums den Weg ebnen“, begründet Nowicki die Notwendigkeit zur Anpassung an die sich rasch wandelnden Umfeldbedingungen.

Digitale Geschäftsmodelle werden marktfähig

Der Großanlagenbau ist mittlerweile besser auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet als noch vor wenigen Jahren und hat erste digitale Produkte am Markt platziert. Laut einer VDMA-Umfrage rechnet die Branche mit einem positiven Einfluss dieser Aktivitäten auf die Umsatz- und Erlössituation und erwartet, dass sich die Margen im Großanlagenbau in den kommenden drei Jahren um bis zu zehn Prozent verbessern könnten. „Patentrezepte für die Einführung von Industrie 4.0 gibt es im Großanlagenbau nicht. Die Unternehmen müssen individuelle Wege finden, die das jeweilige betriebliche Umfeld und die Kundenwünsche im Blick haben“, betont Nowicki.

Doppelbesteuerung belastet Projektabwicklung im Ausland

Im internationalen steuerpolitischen Umfeld bleiben Risiken der Doppelbesteuerung nicht nur bestehen, sie verstärken sich durch die unabgestimmte Umsetzung der von OECD und G20 unterbreiteten Vorschläge zur Vermeidung von steuerlichen Gewinnverlagerungen sogar. Gewinne sollen danach künftig verstärkt am Ort der Wertschöpfung besteuert werden. Nowicki: „Der VDMA fordert den Bund deshalb auf, mit praxisnahen Lösungen das Risiko der Doppelbesteuerung für Maschinen und Anlagen bauende Unternehmen zu reduzieren.“

Ausblick 2018: Wachsende Zuversicht im Großanlagenbau

Die Zuversicht, dass es 2018 zu einer Trendwende im Großanlagenbau kommen könnte, ist gewachsen. Laut einer aktuellen Umfrage unter den Mitgliedern der AGAB gehen mehr als 70 Prozent der Unternehmen von konstanten bzw. steigenden Auftragseingängen sowie einer zunehmenden Projekt- und Anfragetätigkeit aus. Gründe für diesen Optimismus leiten sich vor allem aus den günstigen konjunkturellen Perspektiven und dem Aufschwung an den Rohstoffmärkten ab. Regionen wie Südamerika, Nordafrika und der Mittlere Osten könnten dadurch wieder stärker in den Fokus rücken.

Damit es tatsächlich zu dem erhofften Umschwung im Großanlagenbau kommt, muss auch der regulatorische Rahmen stimmen. Die Branche begrüßt daher, dass die deutsche Politik die enorme volkswirtschaftliche Bedeutung des Großanlagenbaus als Grundlage internationaler Wirtschaftsbeziehungen erkannt hat. „Sie muss ihre Instrumente aufgrund des hoch volatilen Umfelds in kürzeren Abständen als bisher überprüfen und bei Bedarf umgehend anpassen“, lautet das Fazit von Nowicki.

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