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Branche 19. Oktober 2021

Green Deal kann Handelspartner hart treffen

Mit dem Europäischen Green Deal will die EU ehrgeizige klimapolitische Ziele erreichen. Ein Nebeneffekt: Handelspartner könnten starke Nachteile haben.
Der im Green Deal geplante CO2-Grenzausgleichsmechanismus zielt zunächst auf emissionsintensive Industrien wie die Aluminiumindustrie ab und kann dadurch Handelspartner schwer treffen.
Der im Green Deal geplante CO2-Grenzausgleichsmechanismus zielt zunächst auf emissionsintensive Industrien wie die Aluminiumindustrie ab und kann dadurch Handelspartner schwer treffen.

Mit dem Europäischen Green Deal will die EU ehrgeizige klimapolitische Ziele erreichen. Ein Nebeneffekt: Handelspartner könnten starke Nachteile haben.

Ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus für Importe soll im von der EU geplanten Green Deal verhindern, dass Unternehmen ihre Tätigkeiten in Länder mit weniger ambitionierter Klimapolitik verlagern, kann aber auch Handelspartner stark treffen. Welche Länder sind dadurch wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt? Was macht sie besonders anfällig? Und wie kann die EU ihnen beim Klimaschutz helfen? Das analysieren Wissenschaftlerinnen des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in einer neuen Studie.

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CO2-Grenzausgleich: Emissionsintensive Güter wie Zement, Stahl und Aluminium sind betroffen

Die EU setzt auf den CO2-Grenzausgleich als Mittel, um gerechte Wettbewerbsbedingungen und wirtschaftliche Anreize zur Dekarbonisierung in besonders emissionsintensiven Branchen zu setzen. Er zielt zunächst auf die emissionsintensiven Güter Zement, Stahl und Aluminium ab. Später soll er nach den Plänen von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen möglicherweise auf weitere importierte Waren angewandt werden. Wie stark die Wirtschaft eines Landes durch den CO2-Grenzausgleich gefährdet ist, hängt laut den Autorinnen vor allem von zwei Faktoren ab: Belastung und Vulnerabilität.

Mit Green Deal sollen klimapolitischen Ziele der EU erreicht werden

„Die Belastung beschreibt, wie wichtig der Handel mit der EU für die jeweilige Volkswirtschaft ist. Unter Vulnerabilität wiederum versteht man die fehlende Fähigkeit zur Anpassung durch neue Exportstrukturen, Dekarbonisierung oder den Nachweis eines geringen CO2-Fußabdrucks von Produkten“, erläutert Leitautorin Laima Eicke. Ein besonders hohes Risiko haben laut der Studie vor allem Länder des Globalen Südens sowie Nicht-EU-Staaten in Osteuropa. Drei Länder, die aus unterschiedlichen Gründen besonders stark betroffen wären, analysierten die Wissenschaftlerinnen genauer: Bosnien und Herzegowina, Marokko und Mosambik.

Bosnische Wirtschaft ist wenig diversifiziert

Die bosnische Wirtschaft ist geprägt von einer geringen Diversifizierung der Handelspartner und der Exportgüter: 72 Prozent der Exporte gehen in die EU, der das Land perspektivisch beitreten will. Zu den wichtigsten Exportgütern zählen Stahl und Aluminium. Bosnien und Herzegowina würde daher schon die erste Phase des Grenzausgleichs, die auf diese emissionsintensiven Güter abzielt, hart treffen. „Erfahrungen mit der Dekarbonisierung in energieintensiven Industrien zeigen, dass hier hohe Investitionen über einen längeren Zeitraum notwendig sind. In der EU hat die Mobilisierung und Subventionierung von Investitionen in diesen Industrien schon begonnen. Hersteller in Bosnien und Herzegowina werden Schwierigkeiten haben, in hinreichendem Tempo ‚grün‘ zu werden, um in der EU konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt Ko-Autorin Silvia Weko.

Marokko ist langfristig an fossile Energien gebunden

Marokko ist ein Schwellenland mit einer rasch steigenden Energienachfrage, die zu einem hohen Anteil mit fossilen Energieträgern gedeckt wird. Diese Energieinfrastruktur sowie langfristige Stromlieferverträge führen zu einer starken Pfadabhängigkeit, die einer raschen Dekarbonisierung im Wege steht. Ein solch emissionsintensives Energiesystem vergrößert den Kohlenstoff-Fußabdruck der dort hergestellten Produkte. Das würde zu einer hohen Abgabe im Rahmen eines Kohlenstoffgrenzausgleichs führen.

Mosambik fehlen Kapazitäten zur Überprüfung des CO2-Fußabdrucks

Die Komplexität und die Kosten der Berichterstattung über den Kohlenstoffgehalt von Exportprodukten stellen eine besondere Herausforderung für Entwicklungsländer wie Mosambik dar. Angesichts dieser Hindernisse könnte ein CO2-Grenzausgleich die Handelsoptionen einschränken, anstatt einen Anreiz zur Dekarbonisierung zu bieten. Mosambiks Endenergieverbrauch ist 64 Prozent weniger kohlenstoffintensiv als der EU-Durchschnitt. Dieser Wert ist wahrscheinlich für emissionsintensive und handelsorientierte Branchen deutlich höher, es fehlt jedoch an verlässlichen Daten. Die Anpassungsfähigkeit Mosambiks hängt hauptsächlich von der Fähigkeit ab, ein transparentes Informationssystem aufzubauen, um die vergleichsweise geringe Emissionsintensität seiner Produkte zu überwachen, zu melden und zu überprüfen.

EU sollte Handelspartner bei Dekarbonisierung unterstützen

Die Studie macht deutlich, dass die EU die internationalen Auswirkungen berücksichtigen muss, um neue globale Trennlinien zu vermeiden. „Wenn der CO2-Grenzausgleichsmechanismus zum Klimaschutz beitragen soll, sollte die EU jene Länder finanziell und technisch unterstützen, für die diese Abgabe ein hohes Risiko darstellt. Allein können sie die umfangreichen Investitionen nicht leisten, die für die Dekarbonisierung erforderlich sind“, sagt Laima Eicke. Eine mögliche Maßnahme sei die Vermittlung von Kenntnissen über bewährte Verfahren zur Emissionsreduzierung in den emissionsintensiven und handelsorientierten Industrien. Zudem könnten die Europäer Schulungen in der Emissionsüberwachung, Berichterstattung und Überprüfung anbieten.

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