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Branche 8. Dezember 2021

Euroguss thematisiert Nachwuchsgewinnung in Gießereibranche

Ab etwa 2025 gehen die Babyboomer-Jahrgänge in Rente – Grund genug, sich schon jetzt Gedanken um Nachwuchsgewinnung zu machen, auch in der Gießereibranche.
Nachwuchsgewinnung in der Gießereibranche ist auch auf der Euroguss ein großes Thema.
Nachwuchsgewinnung in der Gießereibranche ist auch auf der Euroguss ein großes Thema.

Ab etwa 2025 gehen die Babyboomer-Jahrgänge in Rente – Grund genug, sich schon jetzt Gedanken um Nachwuchsgewinnung zu machen, auch in der Gießereibranche.

Die Euroguss 2022 im Januar in Nürnberg nimmt sich des Themas Nachwuchsgewinnung in der Gießereibranche mit dem Talent Award an. Es gilt, die nachrückenden Generationen Y und Z für sich zu gewinnen. Doch wie kann sich die Gießerei-Industrie beim Werben um Nachwuchs gegenüber anderen Wirtschaftszweigen durchsetzen?

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Wenn ab etwa 2025 die Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen, befürchtet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einen flächendeckenden Fachkräftemangel. „Ohne Gegensteuern kann sich der Fachkräftemangel von einer gravierenden Herausforderung zu einem regelrechten Wachstumshemmnis auswachsen“, sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Die Genesung der Wirtschaft nach der Corona-Krise, die Bewältigung des digitalen Strukturwandels und der beschleunigte Umbau zur Klimaneutralität seien nur einige der bevorstehenden Herausforderungen, die ohne fachkompetente Beschäftigte nicht bewältigt werden können. Köhler-Geib warnt: „Der Sicherung des Fachkräftepotenzials muss daher oberste Priorität eingeräumt werden.“

Längst beklagt rund ein Drittel der 600 Betriebe des Bundesverbands der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG) einen Arbeitskräftemangel. Der Branche mit rund 70.000 Beschäftigten fällt es besonders schwer, sich beim Werben um Nachwuchs gegenüber anderen Wirtschaftszweigen durchzusetzen. Dabei werden in der Branche überdurchschnittlich hohe Löhne gezahlt, und das bereits seit vielen Jahren. Berufe im Metall- und Elektrobereich können für junge Fachkräfte besonders lukrativ sein, ergab eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Entscheidend für die Berufswahl der jungen Generation sei aber neben den Verdienstmöglichkeiten viel mehr der soziale Status des Berufs und – hier liegt der oft erwähnte Schmerzpunkt der Gießerei-Industrie – der Bekanntheitsgrad und die Sichtbarkeit des Berufs. Das IW mahnt deswegen, Berufe, bei denen es Engpässe und gute Verdienst- und Karrieremöglichkeiten gibt, in der Berufsorientierung stärker bekannt zu machen. Wie kann das die Gießerei-Industrie schaffen?

Der Gießereibranche gebührend Aufmerksamkeit schenken

„Ich bewundere Firmen wie Intel, die es mit ihrer Kampagne ‚Intel Inside‘ geschafft haben, publik zu machen, was man überhaupt nicht sieht”, sagt Prof. Martin Fehlbier. Das gleiche Problem habe der Guss mit seinen häufig hinter Plastik versteckten Teilen, zum Beispiel auch bei Motorkomponenten in Autos. Prof. Fehlbier leitet das Fachgebiet Gießereitechnik am Institut für Produktionstechnik und Logistik im Fachbereich Maschinenbau der Universität Kassel. Jedes Jahr beginnen hier 178 Studierende ihren Bachelor. „Die Menschen stehen morgens auf, drehen die Heizung an, duschen und fahren in irgendeiner Form – sei es Straßenbahn, Auto oder Fahrrad – zu ihrer Arbeitsstätte und nehmen gar nicht wahr, welche Gussteile sie genutzt haben. Diese Aufmerksamkeit fehlt der Branche.”

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Einer, den Prof. Fehlbier überzeugen konnte, ist Marvin Emde. An der Universität Kassel entwickelte er eine Sitzarmlehne, an der er das Potenzial für Druckgussbauteile durch Wandstärkenoptimierung untersuchte. Seine Arbeit, für die er im letzten Jahr mit dem Euroguss Talent Award ausgezeichnet wurde, zeigt: Dünnwandiger Druckguss kann in Sachen Leichtbau mit Hochleistungskunststoffen mithalten, diese dabei hinsichtlich der Belastbarkeit sogar übertreffen. Trotzdem gibt Emde zu, erst durch seine Arbeit auf Gießereitechnik aufmerksam geworden zu sein. „Dass Guss im ersten Moment nicht interessant klingt, liegt sicher auch daran, wie sich die Branche selbst darstellt: qualmende Hallen, große Tiegel mit durch die Luft spritzendem flüssigem Metall”, sagt Emde und ergänzt: „Aber die dahinter steckende Technologie, sei es Werkstofftechnik oder Prozesstechnik, erkennt man nicht auf den ersten Blick.”

Wer macht es denn besser? Tesla. „Alle sprechen über weniger Gussteile, die der Wandel zur E-Mobilität mit sich bringt, und dann kommt Elon Musk und setzt einen gesamten Heckrahmen aus einem Teil um”, so Emde. Das mache Eindruck. Marius Kohlhepp, ebenfalls Gewinner des Euroguss Talent Awards für seine Arbeit „Einfluss der Legierungszusammensetzung auf das Formklebeverhalten einer AlSi7Mg-Druckgusslegierung“ in Kooperation mit der Audi AG am Karlsruher Institut für Technologie, findet deutliche Worte: „Elon Musk hilft der Druckgussbranche im Automobilbereich, cooler und erstrebenswerter zu werden.” Gleichzeitig habe er mit seinem Vorgehen die gesamte Branche unter Konkurrenzdruck gesetzt und gezwungen, wieder in den Aluminiumdruckguss zu investieren.

Millennials suchen Sinn und fordern Nachhaltigkeit

<em>Marius Kohlhepp des Karlsruher Institut für Technologie gewann ebenfalls den Euroguss Talent Award. Er zeigte in Kooperation mit der Audi AG den „Einfluss der Legierungszusammensetzung auf das Formklebeverhalten einer AlSi7Mg-Druckgusslegierung“ auf.
<em>Marius Kohlhepp des Karlsruher Institut für Technologie gewann ebenfalls den Euroguss Talent Award. Er zeigte in Kooperation mit der Audi AG den „Einfluss der Legierungszusammensetzung auf das Formklebeverhalten einer AlSi7Mg-Druckgusslegierung“ auf.

„Gerade Leichtbau ist für den Nachwuchs interessant. Diese Generation sucht Sinn in ihrer Arbeit und will sich mit ihrem Beruf identifizieren. Heute wird Innovationsstärke und Nachhaltigkeit gefordert”, sagt Gérôme Fuchs von GF Casting Solutions. „Auf der Suche nach Nachwuchskräften hilft uns unser aktiver Beitrag zu einer nachhaltigeren Mobilität.”

In der Gussindustrie können noch entscheidende Neuerungen entstehen, die in der Wirtschaft tatsächlich genutzt werden, so Kohlhepp. „Für mich war das immer ein großer Pluspunkt. Wenn ich im Aluminiumdruckguss etwas Bahnbrechendes entwickele, dann wird es Anwendung in der Wirtschaft finden. Bei anderen populären Themen geht es nach wie vor um die Grundlagenforschung, da ist das nicht so. In der Gießerei-Industrie kann man noch was verändern, und hier liegt für junge Menschen die große Motivation.” Emde ergänzt: „Wenn wir jetzt entscheidend vorangehen und es schaffen, mit modernen Technologien und Methoden einen Prozess umweltschonend zu machen, zum Beispiel mit weniger Stromverbrauch, dann können wir den in die Welt exportieren.” Beide sind sich einig: Die Herausforderungen der Industrie sehen sie vor allem als Chance für ihre Generation.

Talent Award: Euroguss stellt Nachwuchsgewinnung in den Vordergrund

Seit 2020 prämiert der Euroguss Talent Award herausragende Abschlussarbeiten und damit die Nachwuchskräfte von morgen. Themen können dabei Innovationen, Verbesserungen oder neue Anwendungen im Druckguss und der gesamten Wertschöpfungskette sein. Patrick Reichen, Team Leader Carat bei der Bühler AG, erklärt, warum für ihn der Euroguss Talent Award so wichtig ist: „Die Ausbildung junger Talente steht bei Bühler im Fokus, so ist die Berufslehre seit über 100 Jahren ein fester Bestandteil des Druckguss-Unternehmens. Das Gleiche liegt uns natürlich auch für die Gießereibranche am Herzen, weshalb wir sehr gerne die Verbindung zwischen Lehre und Industrie fördern.“

Gérôme Fuchs, Specialist Talent Development & Employer Branding, GF Casting Solutions, pflichtet ihm bei: „Bei GF Casting Solutions setzen wir auf Innovation und Nachhaltigkeit in unseren Prozessen, Produkten und Lieferketten. Aus diesem Grund sind wir stolz darauf, den diesjährigen Talent Award unterstützen zu dürfen. Wir möchten so Young Talents eine Plattform bieten, um ihr volles Potenzial ausschöpfen und sich vernetzen zu können.“ Die offizielle Bekanntgabe der Gewinner des Talent Awards 2021 erfolgt auf der Euroguss 2022.

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